Sonntag, 4. November 2007

Leidensbericht 1. RS Woche im Zug 3 der Panzer Sappeur Kompanie

Grundgütiger was für ein Andrang. Montag Mittag und Hundertschaften (genau genommen waren es 765 Stück) junger Mannen haben das selbe Ziel. Die Kaserne in Thun. Am Bahnhof Thun checke ich nochmal was ich alles dabei habe. Viel Unterwäsche, Schokolade, jede Menge Papierkram und mein Marschbefehl. Marschbefehl? Scheisse, genau das elementarste, das wichtigste verdammte Papier liegt zu Hause in siebenfacher Ausführung (one love to HP G2410). Na gut, ich hab ja eine Wegbeschreibung und ein bisschen Verstand und finde am Ende sogar die richtige Halle für meinen ersten Rekrutierungstag. Nun sitzen wir also dort, 40 junge Truppenbuchhalter und Büroordonanzen. Guten Mutes, alle am Lachen, und nach einer Stunde auch bereits eingeteilt. Toll ich komme zu den Panzer Sappeuren. Wir werden einem riesigen (2.12m) Hauptfeldweibel in die Arme gedrückt und der packt uns zu viert ins Auto. Bei unserem Trupp angekommen schreit er als erstes zu seinen Untergebenen: "Meine Herren, nur damit es klar ist. Dies hier sind Bürogummis. Ich sehe keine kaputten Knie, keine offenen Wunden und keinen dieser Herren mit dem Kopf im Dreck. Ich habe keine Lust auf eine weitere Anzeige. IST DAS KLAR?!" Toll, der Trupp schaut uns an und kann es sich nicht verkneifen über uns zu kichern. Guter Start Andrea... Naja, meinen Marschbefehl hat bis jetzt noch keine Sau interessiert, was schon mal positiv ist. Jetzt nur nicht auffallen... Beim Nachtessen erklärt man mir dass ich im "Betriebszug" gelandet bin. Was das bedeutet? Köche, Putzmänner und Bürogummis tun so als wäre Krieg. Und dies endet in jedem Fall in einem Riesen Chaos und der Erkenntnis das wir der (motivationsmässig) schlechteste Zug auf dem Waffenplatz sind. Gut, sehr gut, Andrea.

Nun lernen wir, wie wir stehen, uns bewegen, atmen und denken müssen. Nebenbei erlange ich die heilige Erleuchtung in der Beherrschung meines Harn Drangs und meines Schliessmuskels. Ich möchte hier kurz zitieren: "Isch soge sie, wenn sie scheisse, isch soge sie wenn sie kacke, isch soge sie wenn sie gehn schlafön, isch soge wenn sie dürrrfe trinke!" Und genau so mache ich das auch. Mittwoch Morgen stehen wir im Daher (ein sehr ungenauer Halbkreis bei dem wir uns jedesmal vor den anderen Truppen lächerlich machen) spricht mich die Gruppe an. "Savoca, mach du der Flügel Rechts!" Was? " Ja das isch dänk de wo vore in de Mitti steit, und schreit bis alli parat sin!"

Oh ja schreien kann ich, kommandieren tu ich sehr gerne, also akzeptiere ich die Aufgabe stehe in die Mitte und rede seit diesem Moment nur noch gebrochenes Hochdeutsch mit französischen Akzent". Ich liebe es. Endlich hört jemand auf mich, endlich darf ich ungehemmt fremden Leuten den Arsch aufreissen und... ja endlich hören mir Menschen zu. Was ich nicht merke, ist dass ich mich langsam richtig erkälte und da meine zweite Packung Ricola innert 3 Tagen auch schon wieder leer ist, habe ich um 22.30 unter der Dusche die ersten Schüttelkrämpfe und Fieberanzeichen. Scheisse ist das kalt, ich hau mich unter die Bettdecke, bibbere, und bete zu Gott dass ich nicht nochmal aufstehen muss. Toll, genau um 23.00 Uhr steht der Hauptfeldweibel in unserem Zimmer und befiehlt die ganze Truppe aus dem Zimmer. Ich stehe schlotternd wie ein Häufchen Elend in der Ecke und tue was man mir sagt, bis mir der Kragen platzt. Naja, medizinisch gesehen wird das wohl irgendwas zwischen Erkältung, Kreislaufkollaps, Nervenzusammenbruch und Hyperventilieren gelegen sein. Das Endprodukt war auf jeden Fall dass ich meinen Chef mit hochrotem Kopf ins Gesicht schreie was die Scheisse hier eigentlich soll, und das ich ein verdammtes Aggressionsproblem habe. Immer noch vom Fieber zitternd, hauts mich hin. Ich drehe durch und man schickt mich an die frische Luft. Hui... ich habe gerade mächtig Lust mit dem ganzen Scheiss auf zu hören. Ich kann einfach nicht für andere Menschen meinen Kopf hinhalten. Dachte ich vor dem 1 stündigen Gespräch mit meinen welchsch-schweizer Chef, dass ich komplett bibbernd, genervt und aufgelöst in französisch geführt habe.

Dann der Donnerstag Morgen, die Truppe schaut mich an, als wär ich ein Zombie, und nach verschiedenen Gesprächen finde ich raus, was Freundschaft und Kameradschaft ist. Die Truppe steht hinter mir, unterstützt mich, und hat sich auch Sorgen um mich gemacht. Ich fühle mich langsam aber sicher immer besser. Immer mehr wert. So als hätte ich eigentlich nur auf diese Aufgabe hier gewartet. Klar ist das Essen immer irgend etwas Unerkennbares gemixt mit dem von gestern. Klar schreiben sie mir vor, was ich zu denken, fühlen und zu sagen habe. Aber genau das macht es irgendwie für mich aus. Die Füsse schmerzen, der Rücken brennt, der Kopf ist gefickt, ich sollte seit 2 Stunden auf s Wc, was will man mehr?

Ich bin noch etwas unschlüssig ob ich weitermachen soll, fragen werden sie mich sowieso, zwingen können sie mich auch. Aber irgend etwas hält mich davon ab. Ach ja genau, meine körperliche Verfassung. Verdammt, ich bin einfach ein Bürotussi. Meine Handmuskulatur ist ausgeprägter als der Bizeps jedes Panzergreni, aber was die Kondition anbelangt bin ich schon nach dem ersten "Rundgang" (los hopp seckle marsch!) um unsere Kaserne am Limit angelangt, fühle meinen Puls im Kopf dröhnen und die Lunge pfeift aus den letzten Löchern. Dementsprechend kommen bei mir immer wieder Zweifel auf, ob ich das schaffe. Ob ich das durchhalte. Das Schöne an der Sache ist, jedesmal wenn du aufgegeben hast, schiebt dich ein Kollege wieder an, und spricht dir Mut zu. Hilft dir auf, zieht dich mit. Genau so mache ich das auch bei den Anderen. In diesem Sinne bin ich sehr froh heute Abend wieder nach Thun zu fahren und in diesen stinkenden Betten mit 17 anderen Leidensgenossen mich zu drehen und wälzen bis ich das Schnarchen in drei Tonlagen nicht mehr höre.

Vielleicht noch ein paar Anekdoten aus meiner ersten Woche.

Rekrut Sorentino pennt in jeder Pause, sei es im Stehen, Sitzen oder Liegen. Unglaublich wieviel man in der RS schlafen kann, wenn man Nichtraucher ist. Sein Motto? "Easy, debi si."
Rekrut Kaiser erklärt mir jeden Tag dass er den ganzen Spass hier eigentlich noch cool findet und er ist der einzige Mensch der mit einem Wischmob Blutgrätschen durchs Zimmer zieht.
Wachtmeister H. (Schlumpf genannt) hat während der Ausbildung einen Spruch über unsere Mütter in die Runde geworfen. (Ausländeranteil in unserem Zug: 50%) Das war ein Fehler...
Hauptfeldweibel T. redet so viel über "diese komische Scheisse Dings da hintän, sie sehn diese komische Pfoste" dass wir uns vor jedem "MARSCH!" zuerst die Hosen vor Lachen voll scheissen.
Und Ober Leutnant M.'s stahlblaue Augen sehen mit den blutunterlaufen Strichen darin einfach nur geil aus. Vorallem wenn sich sein Gesicht auch noch rot färbt...

Nun denn, das war's. Es gäbe sicher noch viel mehr darüber zu berichten, aber ich muss jetzt Wäsche zusammenfalten gehn.

Bis dann, ich wünsche euch eine gute Woche, bleibt sauber und denkt an mich wenn ihr in eure Bürostühle furzt.

1 Kommentar:

  1. OLEE OLEE SCHWEIZER ARMEEE...!
    ich schlüsse mich doch grad im Fabe ah, und hinterloh do au no mini Spure...Also Tmschü, ich leide unter Beschäftigungsmangel und Monotonie, set du nömm ome bisch, chomm weder hei!:-)

    Ninaley

    AntwortenLöschen